Starke Industrie, starkes Land

Politik: Betriebe entlasten, Standort stärken

Die Politik präsentiert sich in Geberlaune, verteilt soziale Wohltaten. In Gegenzug forciert sie die Umverteilung. Sie lastet Betrieben und Bürgern zusätzliche finanzielle Bürden auf. Sie erhöht die Bürokratie, reguliert das Arbeitsrecht noch stärker, beschneidet mit Zeitarbeit und Werkverträgen wichtige betriebliche Instrumente. In der Folge verteuert sich nicht zuletzt der Faktor Arbeit weiter. Diese Abwärtsspirale gilt es zu durchbrechen. Wichtig ist, dass die Landespolitiker bei der eigenen Gesetzgebung und ihren Bundesratsinitiativen auf Belastungen der Industrie verzichten und sich über ihre Bundesparteien und den Bundesrat für Entlastungen einsetzen. Ziel muss sein, dass der Südwesten wieder wettbewerbsfähiger und attraktiver wird.

Immer mehr politische Regelungsvorhaben, geplante oder bereits umgesetzte, führten zu höheren nicht-tariflichen Arbeitskosten.

Nach den beschlossenen milliardenteuren Leistungsausweitungen in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung, nach Einführung des Mindestlohns und des Bildungsurlaub auf Landesebene: Der Staat hat zuletzt immer weiter draufgesattelt und den Druck auf die Betriebe noch erhöht. So darf es nicht weitergehen.

Ob Regierung oder Opposition: Die Landespolitik muss auch mehr Einfluss auf die Bundespolitik nehmen, da dort viele industrierelevante Entscheidungen getroffen werden. Ebenso muss die Landesregierung ihre Möglichkeiten im Land nutzen, um den Industriestandort Baden-Württemberg zu stärken.

Nötig ist zudem eine weitergehende Konsolidierung der öffentlichen Haushalte über die Ausgabenseite. Es wäre fahrlässig, dauerhaft mit den derzeit munter steigenden Einnahmen zu rechnen, um damit einen ähnlich hohen Anstieg der Ausgaben zu finanzieren. Die Rechnung zahlen letztlich die Beitrags- und Steuerzahler.

Kommt es nicht zur Kehrtwende, werden alle Bemühungen der Unternehmen, ihre Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern, unterlaufen. Ihre Anstrengungen, den Nachteil hoher Arbeitskosten hierzulande wettzumachen, wären damit hinfällig. Die derzeitige Politik ist jedenfalls stark korrekturbedürftig, um den Industriestandort Baden-Württemberg mit Produktion und Beschäftigung nachhaltig zu sichern.

Für Unternehmen ist es entscheidend, flexibel auf Auftrags- und Auslastungsschwankungen reagieren zu können. Möglich ist das insbesondere durch eine moderne Arbeitsorganisation und innovative Fertigungsprozesse. Beides erhöht die Produktivität und Konkurrenzfähigkeit - und trägt dazu bei, den hohen Arbeitskosten hierzulande gegenzusteuern.

In genau die entgegengesetzte Richtung laufen gesetzliche Einschränkungen etwa bei der Zeitarbeit und bei Werkverträgen. Beides sind notwendige Instrumente, die nicht eingeschränkt oder erschwert werden dürfen.

Der Staat erhöht also die Kostenbelastungen für die Unternehmen und nimmt ihnen betriebliche Spielräume, die im Wettbewerb wichtig sind. Gleichzeitig werden immer höhere Flexibilitätsanforderungen an die Betriebe gerichtet, zum Beispiel durch neue Teilzeitansprüche für Eltern und Pflegende oder für Weiterbildung. Das kann nicht funktionieren.

Wichtig ist, dass es Unternehmen im Südwesten ermöglicht wird, ihre Produktivität zu verbessern. Zudem benötigen die Unternehmen Akzeptanz für ihre entsprechenden Anstrengungen. Die Landesregierung muss sich deshalb klar zur Freiheit im unternehmerischen Handeln bekennen, die zur Veränderung von Produktionsprozessen und Produktivitätssteigerung genutzt wird.

Deutschland gehört zu den Ländern mit den restriktivsten Kündigungsrechten bei unbefristeten Beschäftigungsverhältnissen. Unter den Industrieländen haben nur Belgien und die Niederlande ähnlich strenge Regeln.

Gleichzeitig sind hierzulande flexible Beschäftigungsmöglichkeiten (befristete Arbeitsverhältnisse, Zeitarbeit, geringfügige Beschäftigung, Werkverträge usw.) ausgeweitet worden. Gemessen an den Stammbelegschaften spielen sie zwar – etwa in der für das Land so wichtigen Metall- und Elektroindustrie – eine nach wie vor eher untergeordnete Rolle. Trotzdem gilt: Insbesondere für Industrieunternehmen ist diese Zweiteilung unabdingbar. So können sie auf marktbedingte Auslastungsschwankungen reagieren, die für ihr Geschäft typisch sind.

Eine restriktivere Ausgestaltung der flexiblen Beschäftigungsformen ist deshalb nicht zielführend. Darunter würden die Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe und letztlich des ganzen Landes leiden. Zudem wird Baden-Württemberg durch seinen besonders hohen Industrieanteil stärker von solchen Regelungen getroffen als andere Länder.

Die Landesregierung muss auf Bundesebene eine Position "pro flexible Beschäftigungsformen" annehmen, um der Industrie am Standort Baden-Württemberg die dringend erforderliche Flexibilität zu bewahren. (Nur) damit unterstützt sie Wachstum und Beschäftigung im Südwesten.

Längere Lebensarbeitszeiten, vermehrte Ausbildung und Zuwanderung sind notwendig, um die Fachkräftelücke so klein wie möglich zu halten.

Fest steht jedenfalls: Schon heute ist die Wirtschaft in Baden-Württemberg bei Fachkräften auf Verstärkung von außerhalb der Landesgrenzen angewiesen. Allerdings fällt es zusehends schwerer, Arbeitnehmer aus anderen Bundesländern für den Job-Wechsel Richtung Südwesten zu begeistern. Impulse kommen inzwischen fast ausschließlich aus dem Ausland - aus der EU und aus außereuropäischen Staaten. Für Fachkräfte aus solchen Regionen braucht das Land daher noch mehr Zugkraft.

Kontraproduktiv ist zudem, wenn durch zusätzliche Arbeitnehmerrechte immer häufiger die Arbeitszeit (vorübergehend) verkürzt werden kann – zum Beispiel über verschiedene Teilzeit- und Freistellungsansprüche – und im gleichen Atemzug dem Unternehmen Ausgleichsmöglichkeiten genommen werden. Dadurch geht Arbeitsvolumen verloren, die Fachkräftelücke vergrößert sich. Auch deshalb müssen vorhandene Ausgleichsinstrumente (z.B. Zeitarbeit, Befristungen) erhalten bleiben. Darüber hinaus müssen aber auch (tarif-)politische Möglichkeiten geschaffen werden, damit Arbeitnehmer vorübergehend nicht nur weniger, sondern auch einmal mehr arbeiten können – um sich so gegebenenfalls vorübergehende Auszeiten selbst „ansparen“ können.

Die Städte und Regionen, aber auch das ganze Bundesland müssen sich attraktiv für Beschäftigte präsentieren. Die Landesregierung muss regionale Institutionen dabei unterstützen, angesichts der guten Chancen auf dem Arbeitsmarkt für Zuwanderer innerhalb Deutschlands attraktiver zu werden. Nachhaltig gelingen kann das nur mit einer landesweiten Attraktivitäts- und Infrastrukturoffensive.

Die Betriebe in Südwesten leisten Erhebliches, um qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und halten. Erforderlich ist dazu nicht zuletzt eine zeitgemäße, lebensphasenorientierte Personalpolitik. Dazu gehört, den Mitarbeitern Möglichkeiten beispielsweise für die Kinderbetreuung oder die Angehörigenpflege bieten zu können. Das allerdings setzt entsprechende betriebliche Gestaltungsspielräume voraus. Neue staatliche Vorschriften leisten da einen Bärendienst.

Im Interesse aller muss sich die Landesregierung gegen eine restriktivere Ausgestaltung der Teilzeitmöglichkeiten, Befristungen oder Zeitarbeit einsetzen. Nur dann können die Unternehmen in Zukunft den vielfältigen Bedürfnissen einer immer heterogeneren Belegschaft so gut wie möglich Rechnung tragen.

Die Belastung der Unternehmen durch Bürokratie ist nach wie vor immens. Allein für 2014 hat der Normenkontrollrat 67 Regelungsvorhaben identifiziert, die die Betriebe betreffen, davon 47 mit zusätzlichen Belastungen.

Selbst wenn einzelne politisch veranlasste Maßnahmen nur mit überschaubarem Aufwand verbunden sind - in der Summe steigt die Belastung an, da Entlastungen fehlten.

Die Initiative der Bundesregierung zum Abbau von Bürokratie ist zu begrüßen. Dabei muss es aber um materielle Entlastungen gehen. Bürokratieintensive Gesetze wie der Mindestlohn und die diskutierte Reform der Arbeitsstättenverordnung lassen Zweifel an der faktischen Bedeutung des Ziels aufkommen, bürokratische Lasten zu reduzieren. Ein anderes Negativ-Beispiel ist das geplante Entgelttransparenzgesetz, mit dem wieder neue Berichts- und Auskunftspflichten auf die Unternehmen zukämen. Gleichzeitig drohen neue Beschränkungen für die Unternehmen, beispielsweise durch Restriktionen für Werkverträge und Zeitarbeit oder Anti-Stress-Regelungen.

Um Bürokratie zu stutzen, kann die Landesregierung eine One in, One out-Regel verabschieden, wie sie in Großbritannien seit dem Jahr 2011 erfolgreich praktiziert wird: Erlässt ein Ministerium eine neue Regelung, die neuen Aufwand für die Wirtschaft bedeutet, muss die Regierung eine entsprechende Entlastung zumindest in gleicher Höhe bei anderen Maßnahmen festlegen.

Der unternehmerische Spielraum der Wirtschaft sollte jedenfalls nicht noch weiter beschränkt werden. Ohne Unternehmen, die mit ausreichenden Freiräumen agieren können, gibt es keine dynamische wirtschaftliche Entwicklung.

Die sozialen Sicherungssysteme müssen möglichst bald auf die Bevölkerungsentwicklung ab dem Jahr 2020 vorbereitet werden.

Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung stehen unter demografischem Druck. Es erfordert viel politische Kraft, heute schon Lösungen zu erarbeiten, wenn die Probleme erst in einigen Jahren spürbar werden. Aber wenn die Schwierigkeiten offenkundig ist, wird das Umsteuern umso härter sein müssen.

Klar ist: Das Rentenpaket geht angesichts der eigentlichen Erfordernisse in völlig falsche Richtung. So ist die Mütterrente nicht nur rückwärtsgewandt, sondern bringt auch immense Belastungen. Ähnliches gilt für die Rente mit 63: Sie ist ebenfalls teuer, setzt falsche Anreize zur Frühverrentung und entzieht Betrieben wichtige Fachkräfte. Und das, obwohl sich die Arbeitsplätze in den vergangenen Jahrzehnten völlig verändert haben, gerade mit Blick auf Belastungen. Und das nicht nur körperlich, auch der Stress ist in den vergangenen zehn Jahren zurückgegangen.

Statt neuer Einschränkungen beim Rentenalter brauchen Betriebe und Beschäftigte mehr Flexibilität - und bessere Möglichkeiten, über gesetzliches Rentenalter hinaus arbeiten zu können.

Auch in der Pflege- und Krankenversicherung läuft es derzeit in die falsche Richtung: Der Trend der Leistungsausweitung über die höhere Belastung der Beitragszahler - Arbeitnehmer wie Arbeitgeber - muss gestoppt werden.

Schon heute sind die deutschen Strompreise Spitze. Ein wesentlicher Grund ist die milliardenteure Energiewende. Sie hat die ohnehin hohe Energiesteuerbelastung in Deutschland weiter nach oben getrieben.

Die EEG-Umlage allein ist hierzulande höher als der Industriestrompreis in den USA. Ausnahmen für Unternehmen sind immer wieder befristet. Das erschwert längerfristige Investitionen. Schon seit Jahren verzeichnen die energieintensiven Branchen kaum noch positive Nettoinvestitionen.

Eine Senkung der Sonderbelastungen ist ebenso notwendig wie mehr Planungssicherheit für energieintensive Unternehmen. Rein nationale Belastungen und immer wieder drohende Mehrbelastungen durch die Befristung von Ausnahmeregeln haben sich als erhebliches Investitionshemmnis herausgestellt. Die Energiewende zeigt prototypisch die Verantwortung der Politik, klare ordnungspolitische Perspektiven zu entwickeln statt laufend in Prozesse einzugreifen und damit Unsicherheiten zu produzieren.

Baden-Württemberg ist als rohstoffarmes Land auf offene Märkte für Rohstoffe angewiesen. Der Zugang zu Rohstoffen ist für Unternehmen entscheidend, um im Land zu produzieren. Gleichwohl fehlt Baden-Württemberg eine eigene Rohstoffstrategie - anders als andere Ländern wie beispielsweise Bayern, die hier weiter sind.

Das unterstreicht: Die Landesregierung muss in Zusammenarbeit mit der Industrie eine geeignete Rohstoffstrategie für den Südwesten entwickeln.


Mehr zum Thema "Jetzt die Zukunft sichern"