Starke Industrie, starkes Land

Das Ausland lockt

Im Zuge der Globalisierung gewinnt neben dem Export auch die Produktion im Ausland für die hiesigen Unternehmen weiter an Bedeutung.

Klassisches Motiv für den Aufbau von Fertigungsstätten ist die größere Nähe zu den Kunden beziehungsweise das Erschließen neuer Märkte. Immer häufiger werden allerdings auch die Kosten als Hauptgrund genannt. Die Möglichkeit zur günstigeren Fertigung als in Deutschland ist für baden-württembergische Unternehmen inzwischen der zweitwichtigste Anlass, im Ausland zu investieren.

Motive für die Auslandsinvestition baden-württembergischer Unternehmen
20-4950-249 ab 250GesamtRang
Kapazitätsausweitung im Ausland50,047,070,065,41
Realisierung von Kosteneinspa­rungen im Ausland 37,547,370,065,32
Erschließung eines neuen Geschäftsfeldes 47,556,560,059,63
Einführung einer weiterentwickelten Technologie im Ausland 37,545,858,356,14
Ersatz von Anlagen im Ausland 22,530,456,751,35
Verlagerung aus Deutschland 25,033,955,050,86
Einführung einer neuen Technologie im Ausland 37,546,151,750,77
Erhöhung der Materialeffizienz in der Produktion 30,030,050,946,98
Erhöhung der Energieeffizienz in der Produktion 40,028,240,038,19

Quelle: IW Consult

Seit Mitte der 90er Jahre hat sich der Bestand an Direktinvestitionen im Ausland verfünffacht - wobei sich die Entwicklung seit 2006 noch beschleunigte. Genau in diesem Jahr begann übrigens auch eine weitere bemerkenswerte Entwicklung: Der Bestand an Firmengebäuden und Fertigungsanlagen, die heimische Unternehmen jenseits der Landesgrenzen besitzen, legte sogar in absoluten Zahlen stärker zu als im Inland. Das gab es zuvor noch nie.

 

Quelle: Bundesbank

Der Trend, stärker aufs Ausland zu setzen, verläuft nicht in allen Branchen gleich: So war beispielsweise bei den mittelständisch geprägten Herstellern von Metallerzeugnissen (von Bauelementen bis zu Bestecken) nur ein leichtes Plus auf niedrigem Niveau festzustellen. Dagegen verhielten sich vor allem der Maschinenbau und gerade auch die Automobilindustrie - mit ihren vielen Großunternehmen - beim Auf- und Ausbau von Auslandsstandorten viel dynamischer.

Der Aufbau von Produktion ist jedoch keineswegs auf die Großen begrenzt. Mittlerweile ziehen auch schon kleinere und mittelgroße Unternehmen eigene Fertigungskapazitäten jenseits der Landesgrenzen hoch - Tendenz weiter wachsend.

 

Entwicklung an baden-württembergischen unmittelbaren und mittelbaren Direktinvestitionsbeständen in ausgewählten ausländischen Branchen

Quelle: Bundesbank

Ist der verstärkte Aufbau im Ausland ein Alarmsignal für den Arbeitsmarkt im Südwesten? Nun, noch ist im Südwesten keine Produktion in größerem Umfang zugunsten des Auslands weggebrochen. Vielmehr gilt bislang: Die Möglichkeit, von eigenen Auslandsstandorten preisgünstige Vorleistungen zu beziehen, hilft in vielen Fällen, Jobs an heimischen Standorten zu sichern und neu aufzubauen. Genau das ist der Industrie im Südwesten in den letzten Jahren vorbildlich gelungen.

Motive für die Auslandsinvestition baden-württembergischer Unternehmen
Vor 5 Jahren Heute  In 5 Jahren
1 bis 9936,333,730,1
100 bis 24937,233,828,5
250 bis 49943,130,524,1
500 und mehr30,826,121,6
Insgesamt33,930,125,0

 

Quelle: Verbandsbefragung 2015 Südwestmetall

Dies darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass insbesondere einfache Produktionstätigkeit immer schwerer im Land zu halten ist und tatsächlich auch schon verlorenging. Wesentlicher Grund dafür sind die hohen Arbeitskosten.

Wie groß diese Verluste sind, zeigt beispielhaft eine Befragung von Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie, die für Baden-Württemberg besonders wichtig ist. Demnach sinkt der Anteil von Mitarbeitern mit einfachen Tätigkeiten in allen Unternehmen. In Großbetrieben betrug das Minus sogar -4,8 Prozentpunkte allein in den letzten fünf Jahren.

Breitet sich der Trend aus, bekäme das gesamte Bundesland die Folgen zu spüren. Denn mit der Produktion im Land steht und fällt ja alles: Wandert Fertigung ab, könnten in Zukunft zum Beispiel die zugehörige Entwicklungsabteilung und Zulieferbetriebe nachfolgen. Der Wegfall einzelner Betriebe würde in den engmaschigen Netzwerken hierzulande schnell zu größeren Lücken führen.

Deshalb muss es gerade auch für die Politik in Baden-Württemberg ein klares Warnsignal sein, dass das Ausland deutlich an Zugkraft gewonnen hat. Wichtig ist, mehr für die Attraktivität des heimischen Industriestandorts zu tun.


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